Das hatte ich, als ich klein war

Vor einiger Zeit flatterte diese Anfrage der Europäischen Spielesammler Gilde in meine Mailbox:
„Schreibst du uns einen Text zu den Spielen, die du als Kind hattest?
Wir sammeln die Texte und zeigen sie zusammen mit den Spielen auf unseren Veranstaltungen und Ausstellungen.“
Spielesammler sammeln – das ist klar. In diesem Fall sammeln sie Texte.
Hier ist meiner.

Ich erinnere mich an eine Handvoll Spiele.
Bei uns war es wahrscheinlich wie in vielen Haushalten:
Es ging auch um die Spiele – aber vor allem ging es um die gemeinsam verbrachte Zeit.
Und um den Zusatzspielwert des Spielmaterials.
Besonders im Kopf habe ich DAS LUSTIGE TOPFSPIEL.
Was für ein Titel!
Es geht erstaunlicherweise weder um Reinlichkeitserziehung noch um die Küche.
Es geht um Geld.
Wer das meiste Geld bzw. die meisten Chips sammeln kann, gewinnt.
Für diesen Text lese ich nach, seit wann es das Spiel gibt: 1940!
Ein interessantes Erscheinungsjahr.
Aufgrund der Gestaltung mit den Zwergen hätte ich es sogar noch früher verortet, in die Zeit der Häschenschule.
Unsere Ausgabe war aus den 1970ern.

Das Spiel hat einen in grün gehaltenen Spielplan, einen knallroten Topf, gelbe Plastikchips, und zwei Würfel.
Der Ablauf ist einfach erklärt: Würfeln, Würfelaugen zusammenzähen,
Chips an der gewürfelten Zahl ablegen, sind alle Plätze an der Zahl voll: Chips nehmen.
Bei der Summe Sieben: Chip in den Topf. Bei Sechserpasch: Topf ausleeren!

ALLES MEINS

Das NEHMEN ist meiner Meinung eines der superwichtigen Dinge beim Spielen: Ich würfele und darf etwas nehmen.
Ich darf sogar ALLES NEHMEN, was es dort gibt.
Niemand sagt: „Hey, sei nicht so gierig! Lass auch noch was für die anderen übrig!“

Einmal habe ich auf einem Kindergeburtstag aus Protest mehr als alle anderen genommen. Wir waren ungefähr 10 Jahre alt.
Die anderen Mädchen sagten am Kaffeetisch: „Bitte nur ein kleines Stückchen.“
Das fand ich sooo doof! Der Kuchen sah so lecker, Birgits Mutter hatte sich so viel Mühe gegeben, fand ich. Und so habe ich von allem genommen. So wie angeboten: große Stücke.
Ich bin auf dem Land aufgewachsen, in unserer Schule waren Kinder aus verschiedenen Dörfern, bei Kindergeburtstagen hieß das: Abends kommen alle Kinder in ein Auto und werden wieder über die Dörfer verteilt. Leider konnte ich das Autofahren damals sowieso nicht so gut vertragen … mit dem vollen Protestmagen nahm das Schicksal zwischen Ling- und Langwedel seinen Lauf. Es musste angehalten werden, ein großer Teil des Protestkuchens landete im Straßengraben.
Ich weiß das alles noch so genau, weil das Geschehen mit so vielen Gefühlen verbunden ist. Und Gefühle, davon gibt es auch viele beim Spielen.
Beim Spielen allerdings verursacht das Möglichst-viele-Schätze-sammeln zum Glück keine Übelkeit, sondern gute Gefühle.

Unser LUSTIGES TOPFSPIEL hatte übrigens schnell keine gelben Plastikchips mehr.
Wir haben es mit Pfennigstücken ausgestattet. Richtiges Geld! Das war toll und machte die Beute noch wertvoller.
Den kleinen roten Topf fanden wir so gut, dass wir ab und zu auch mal Cola aus ihm getrunken haben.
Ich erinnere ich mich auch noch daran, dass Topf und Pfennige nach und nach ziemlich klebrig wurden.
Das war uns – glaub ich – egal.
Während wir über die Jahre immer wieder Spiele verschenkt haben, steht dieses immer noch in einem Regal meines Elternhauses.

Das Käferdomino war auch ein Spiel, dass ich geliebt habe. Noch heute finde ich, dass es superschön reduziert gestaltet ist. Bei der Recherche entdecke ich, dass es GLÜCKSKÄFER DOMINO heißt und bei Ravensburger erschienen ist.
Auf Boardgamegeek wird es auf 1970 datiert. Ich erinnere mich gut, dass ich mich mit dem Spiel auch alleine sehr gerne und lange beschäftigt habe.
Toll, wenn ein Spiel das leistet.

Neben den Klassikern Mensch ärgere dich nicht, Mühle, Dame … kam bei uns Rommé oft auf den Tisch – das zeigt auch mein Rommi Kartensatz, der nach wie vor in meinem Haushalt ist und die dessen Karten die entsprechenden Spielspuren haben.

Als ich gemeinsam mit Christoph eine Kartenspielereihe für HABA entwickelt habe, die 2006(!) erschienen ist, musste auch aus genau diesem Grund eine Rommévariante dabei sein. In unserer Variante hieß das Spiel Prinzessin Rommi. Jedes Kind hatte ein farbiges Armband ... und die Farbe des Armbandes sorgte am Spielende für wertvolle Zusatzpunkte. Die Illustrationen habe habe ich damals auch machen dürfen.

PS: Die Europäische Spielesammler Gilde sammelt nach wie vor Spielerinnerungen, um die Ausstellungen damit zu begleiten – wer noch mitmachen möchte, schicke seine Erinnerungsgeschichte per mail.

 


Die Eckdaten

Das lustige Topfspiel
Verlag: Schmidt Spiele, erstmals ca. 1940 bei einem Vorläufer des Verlages erschienen
Autor:in/ Illustrator:in: nicht genannt.

 


2 neue Wörter und eine ganz besondere Ausstellung

Geschäftsgang

Im Vorgespräch für Workshops in der Bezirkszentralbibliothek Tempelhof-Schöneberg fragte ich, ob ich ein paar Bücher für die Kinder bereitlegen könnte. „Ja“, sagte meine Ansprechpartnerin, „die stelle ich dann auf Geschäftsgang.“
Geschäftsgang! So ein schönes Wort. Das muss der kleine Bruder der Dienstreise sein.
Die Bücher machen Pause. In meinem Fall in einem Korb mit dem anderen Material (Stifte, Klemmbretter, Papier …). In den Workshops habe ich mit Kindern eine Rätselrallye für die Gegend rund um die Bibliothek entwickelt.
Im Vorfeld hatte ich im Umfeld der Bibliothek umgeschaut … und dann sind wir zusammen losgezogen. Die Rallye wird komplett analog sein – mit Rätselkarten, auf denen Texte und Bilder sind. Komplett ohne Internet spielbar.
Im Anschluss habe ich mich an die Umsetzung gesetzt und auch geschaut, was ich an Hintergrundinfos zu den Rätseln und Orten für die besonders Interessierten noch hinzufügen kann. Das ist einer der Punkte, die ich an neuen Projekten besonders liebe: Wenn ich Neues lerne, recherchieren und aufschreiben kann.

Anfang 2024 wird es die Rallye dann zum Ausleihen in der Bibliothek geben.  In einer Spieleschachtel. In kleiner Auflage produziert.
Mit Fuxi, dem Maskottchen der Bibliothek als Hauptperson.

Das hier ist übrigens Fuxi. Gestaltet hat ihn Dikra Kadhim.


Entsammeln

Ein Archivar sagte es, zuständig für eine riesige Sammlung, die die meiste Zeit komplett in einem Archiv ist, also nicht zugänglich.
Und als ich begeistert auf das Wort reagierte fügte er hinzu: „Das ist halt freundlicher als Wegschmeißen.“
Gleich fiel mir auf, dass ich meine Wohnung auch einmal wieder auf zu entsammelnde Dinge hin überprüfen sollte.
Oder zuerst den Keller?
Im Handumdrehen fühlte ich mich wie die Maus in der Geschichte von Ursula Wölfel (Lach und Sachgeschichten, Erstausgabe 1969 mit von mir heißgeliebten Illustrationen ihrer Tochter Bettina Wölfel):
Die Geschichte von der Maus im Laden.
Eine Maus wird in einen Laden eingesperrt. Und weil sie sich nicht entscheiden kann … hat sie NICHTS gefressen, als die Tür wieder aufgeht und sie vertrieben wird. Was modern: „Ins Tun kommen“ genannt wird, hat Frau Wölfel schon in den 1969er sehr vortrefflich beschrieben.
Der Archivar sagte noch andere erstaunliche Dinge, die ich durch den Museumsbesuch neu gelernt habe:
Berlin hat mit rund 70.000 Objekten eine der größten Spielzeugsammlungen Deutschlands. Anders als z.B. im Nürnberger Spielzeugmuseum (mit dem Haus des Spiels und dem Deutschen Spielearchiv Nürnberg) oder im Spielmuseum Soltau ist allerdings kaum etwas davon real davon zu sehen.
Im Netz gibt es einen Einblick, z.B. auch in die umfangreiche Brettspielsammlung.   
Die Berliner Spielzeugsammlung ist im Zentraldepot der Stiftung Stadtmuseum Berlin untergebracht und nicht öffentlich zugänglich.
Außer … es gibt Teile davon in einer Ausstellung zu sehen.
So wie aktuell bzw. noch bis zum 11.2..2024.


Austellungstipp: Delirous Toys

Für Delirious Toys hat der Künstler Mark Dion sich in der Sammlung umgeschaut und thematische Szenarien in der Nicolaikirche – und damit in einer wirklich ungewöhnlichen Umgebung –  zusammengestellt.
Es gibt natürlich Brettspiele zu sehen, aber auch Autos, Puppen und einen roten Giftschrank, den die Aufsicht nur auf Wunsch aufmacht und dann zum Gespräch bereit ist. Darin ist nicht nur altes Spielzeug.

Wer sich in den aktuellen Sortimenten der Hersteller umschaut, entdeckt eine ganze Menge Spielzeuge, die aus unterschiedlichen Gründen fragwürdig sind.


Ich erinnere mich noch gut an die Spielwarenmesse, als ich zum ersten Mal eine Führung über den Messestand eines der großen US Spielwarenherstellers mitgemacht hatte. Nicht, dass ich die Sachen nicht aus dem Handel und der Werbung kannte. Aber das Programm mit den passendenden Verkaufsargumenten gezeigt zu bekommen, war dann doch sehr speziell. Speziell dann auch, dass die anderen Personen – allesamt aus dem Handel – interessierte Nachfragen stellten. Ja, das hätte mir klar sein müssen – wer sich bei diesem Hersteller das Programm anschaut, tut das aus positivem Interesse, sei es nun aus Überzeugung oder weil er/sie die eigene Kundschaft und deren Konsumwünsche im Blick hat.

Die Ausstellung fand bis zum 11.2.2024 statt.
Auch das Begleitprogramm war spannend.
Die Spielwarenmesse ist eine Fachmesse und findet Anfang Februar in Nürnberg statt.


Sidefacts

Der deutsche Museumsbund hat sogar eine Broschüre über das nachhaltige Entsammeln herausgegeben.

Dieses Museum hat nicht nur ein sehr schönes Thema  sondern ein unendlich großes Potential zur Sammlungserweiterung:
the museum of failure.


Ohne Input geht es nicht

Ich bin gerne mit Menschen zusammen, ich tausche mich gerne aus und höre gerne zu.
Bisher habe ich dieses Jahr schon ganz schön viel von on- und offline Veranstaltungen mitgenommen.
Ich höre mir gerne auch Dinge an, die nicht direkt mit meinen beruflichen Projekten zu tun haben.
Immer wieder tauchen für mich neue Begriffe auf. Plötzlich scheinen sie Alle zu verwenden.
Oder jedenfalls die, in deren Welt ich gerade einmal wieder neu bin.

Foto: @ Klax Berlin gGmbH


Klassismus

Klassismus ist so einer dieser schweren Begriffe. Er schaut mich irgendwie bedrohlich und klobig an und es kommt mir immer noch vermessen oder unangebracht vor, ihn in meinen Zusammenhängen zu verwenden oder anzuwenden.
Auch im Rahmen des Themas Impostor-Phänomen, zu dem ich gemeinsam mit Katja Günther arbeite, tauchte der Begriff immer wieder auf.
Und so war ich glücklich, dass ich mich im Rahmen eines online Workshops über die MINT vernetzt Community damit auseinandersetzen konnte.
Mein liebstes Wort in dem Zusammenhang stammt von der Referentin Dr. Isabell Lisberg-Haag:
Klassenreisende.
Es beschreibt den Umstand, dass, wer z.B. die Herkunftsfamilie verlässt, um als erste Generation zu studieren, ja nicht nur in dem neuen Umfeld ankommt … sondern auch noch mit dem alten Umfeld umgeht und im besten Fall in beiden Umgebungen sicher kommunizieren kann.
Von den Impulsfragen, mit denen wir uns in kleinen Runden ausgetauscht haben, waren die Einstiegsfragen meine Liebsten:

  • Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, das jemand weniger Geld als du hatte?
  • Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, das jemand mehr Geld als du hatte?

Partizipation

Partizipation ist auch so ein Begriff, der irgendwann da war.
Und eigentlich sind die meisten Veranstaltungen, die ich mache, partizipativ, auch ohne die Vokabel.
Nun habe ich allerdings ein lang gehegtes Herzensprojekt in diesem Sinne umgestrickt. Denn im Herbst mache ich ein Projekt mit der Bibliothek Tempelhof-Schöneberg. Ursprünglich hatte ich geplant, es alleine umzusetzen und dann mit Kindern durchzuführen und dann an die Bibliothek zur weiteren Nutzung zu übergeben.
Nun wird es partizipativ - es gibt eine Vorfassung, und die Kinder sind auch bei der weiteren Entwicklung aktiv. Am Ende wird eine kleine Ausstellung stehen … und ein ausleihbares, kiezbezogenes Produkt. Weitere Infos folgen sobald wie möglich.


I am not a Robot

Als ich von dem Forschungsprojekt I am not a Robot gehört habe dachte ich: Oh, was für ein spannendes Thema:
KI in der frühkindlichen Bildung.
Wie soll das gehen?
In der KiTA?
So, dass Erzieher:innen sich an das Thema KI herantrauen?
Das wollte ich wissen und verstehen. Und so war ich Zuhörerin und Mitdiskutantin bei der Abschlusskonferenz.
Mitgenommen habe ich neben einem vielseitigen Austausch u.a.:
Nicht immer ist das Ergebnis eines Forschungsprojektes identisch mit der Forschungsfrage.
So wurde das Thema KI in der frühen Bildung im Laufe des Projekts greifbarer und letztendlich in Form von Toolboxen umgesetzt, die sich mit den Aspekten von Technik beschäftigen, die für KiTA Kinder greifbar sind. Und die so gestaltet sind, dass sich auch nicht soooo technikaffine Erzieher:innen an das Thema herantrauen.


Foto: @ Klax Berlin gGmbH
Vielen Dank an die Veranstalter auch dafür, dass ich die Fotos hier nutzen darf.


Und sonst so?

CREATIVE MORNINGS

Eine meiner liebsten Veranstaltungsreihen ist das Format CREATIVE MORNINGS.
Es gibt sie in verschiedenen Städten auf der ganzen Welt, das Prinzip ist immer gleich:

  • ein Monatsthema
  • ein Ort/ein Raum in einer Firma, in der Platz für ca. 80 Menschen ist
  • eine frühe Uhrzeit
  • ein Team, das alles Nötige regelt
  • eine Person, die einen Impulsvortrag hält, der wiederum etwas mit der eigenen kreativen Arbeit zu tun hat.

Ich schaue immer, ob ich es schaffe, meistens gehe ich gemeinsam mit Antje Hagemann. Für uns beide ist das ein besonderer Start in den Tag.
Über die Jahre gab schon viele tolle Vorträge, z.B. den von Nadine Roßa, ich mag ihre Arbeit, ihr Ausprobieren von immer neuen Formaten und auch ihre fröhliche, kompetente und zugwandte Art.
Gut gefallen hat mir auch der Vortrag von Hillary Alliston über Cartoons.
Nicht alle Vortragenden kommen aus den klassischen kreativen Berufen, das zeigt Max Heywood, der über Korruption und Kreativität gesprochen hat.

Nun wage ich es selbst. Am 29. September stehe ich dort und rede. Auf Englisch.
Darum habe ich mir erstmal eine neue Berufsbezeichnung erfunden: Creative Educationalist … ok, Spieleautorin bin ich ja auch noch, das wird dann auch im Impulsvortrag klar. An das Monatsthema „simplicitiy“ knüpfe ich über Beispiele aus meinen Spielentwicklungen an.
Anhand von 3 Beispielen will ich zeigen, dass ein Spiel, das einfach anmutet, viele Regeln in sich trägt und genau darum nicht immer leicht zu entwickeln ist.
Für die Entwicklung des Impulsvortrag habe ich noch etwas Zeit … er soll einfach sein, aber ich weiß schon, es wird nicht so einfach sein, ihn zu gestalten.


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